"Die Stadt als cash cow"
Vor ihrem Auftakt-Vortrag für das Jane's Walk Festivals 2018 in Dresden sprachen wir mit der Architektin Dr. Celina Kress über die Bedeutung von Jacobs:
Frau Kress, was war Ihre letzte unvergessliche Entdeckung bei einem Spaziergang durch die Stadt?
Bei einem Fahrradspaziergang durch das alte Westberlin fiel mir kürzlich auf, wie unbekannt dieser Teil der Stadt doch ist: dicht, urban, nachbarschaftlich, öffentlich-privat, unaufgeregt, wenig szenig, und somit auch kaum medial verbraucht – fast verwunschen. In dieser Stimmung macht es Spaß, Entdeckungen zu machen: Räume, Häuser, Materialien, Farben, Formen, Menschen, Gerüche, Geräusche, Gleichzeitiges und Ungleichzeitiges. So ungefähr stelle ich mir die Eindrücke und Entdeckungen vor, die Jane Jacobs Anfang der 1960er Jahre in amerikanischen Innenstädten, vor allem in New York, sammelte. Ganz anders als die heute meist laut gelobten „urbanen Zonen”: die Innenstädte, die Szenebezirke, die Kernzonen, die europäische Stadt, die historische Stadt, ... das ist: die gebrandete Stadt, das Geschäftsmodell „Stadt”, die Stadt als cash cow, oder auch: die Stadt, das goldene Kalb.
„Die Stadt feiern“ – Was verstehen Sie darunter?
Für meinen Vortrag wurde mir der Titel „Die Stadt feiern, nicht sterben lassen – Jane Jacobs Kampf gegen autozentrierte Planung.“ vorgeschlagen. Ich habe diesen Titel abgeändert in: „Jeanne d’Arc der Städte: Jane Jacobs zu Fuß und auf dem Fahrrad!” Ich habe die Befürchtung, dass das viele Feiern die Städte möglicherweise zerstört, man könnte auch sagen: „die Stadt totfeiern”.
Mit meinem Vortrag werde ich dagegen versuchen, Bilder, Umgebungen und Atmosphären wachzurufen, wie sie Jane Jacobs in der Stadt um 1960 gefunden und empfunden haben mag – so ähnlich, wie sie mir bei dem oben geschilderten Stadtspaziergang einmal wieder begegnet sind.
In einem Satz: Wer war Jane Jacobs?
Eine (Stadt-)Entdeckerin.
Was können wir heute von Jane Jacobs noch lernen?
Dass es spannend, beglückend und nachhaltig ist, immer wieder neue Seiten, Räume und Möglichkeiten in und an den Städten zu entdecken. Die Städte so, wie sie uns von den vorangegangenen Nutzer_innen und Erbauer_innen überlassen sind, zu schätzen, zu schützen, umzubauen und umzunutzen.